Fallberichte: Nachbarstreitigkeiten

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Der Eigentümer eines Anwesens klagte gegen den im Nachbaranwesen ansässigen Arzt auf ungehin­derte Ausübung eines Geh- und Fahrtrechts auf einer gemeinsamen Hof­fläche. Für beide Anwesen ist im Grundbuch ein Geh- und Fahrtrecht auf der gemeinsam zu nutzenden Hoffläche (Vorder- und Hinter­haus) eingetragen. Der Kläger wird unstreitig an der Ausübung seines Geh- und Fahrtrechts immer wieder dadurch gehindert, dass Besucher der Arztpraxis auf dem Hof vor seiner Garage parken.

In der Güteverhandlung wird eine Lösung da­durch gefunden, dass der beklagte Arzt für den Kläger eine in unmittelbarer Nähe gelegene Garage anmietet, die nicht durch parkende Fahrzeuge versperrt werden kann.

 

2

Bei den Konfliktparteien handelte es sich um zwei benachbart wohnende Paare, die sich bereits mehrfach gegenseitig angezeigt haben. Der gravierendste Fall, mit Beschimpfungen, Bedrohungen und Sachbeschädigungen auf Grund einer Beschwerde über Partylärm, hatte sich vor ca. vier Jahren ereignet. In einem daraufhin eingeleiteten Gerichtsverfahren wurde ein Vergleich geschlossen, welcher ein wechselseitiges Kontakt-, Näherungs- und Betretungsverbot enthielt. Wegen Verstoßes gegen diesen Vergleich klagten die damals Geschädigten nunmehr auf eine Vertragsstrafe von 3.000 EUR.  Der Nachbar soll beim Heckenschneiden das Grundstück der Kläger betreten haben.

Im Verlauf der gut dreieinhalb Stunden dauernden Güterichtersitzung entspannte sich die Beziehung zwischen den Beteiligten zusehends. Während ein Beteiligter anfangs mit weiteren Zivilprozessen und Strafanzeigen gedroht und geäußert hatte, er werde den Gegner „an die Wand fahren“, kam es am Ende der Sitzung zu einer fast freundschaftlichen Verabschiedung.

Der Güterichter schildert den Verlauf wie folgt:

„Ich habe relativ wenig lenkend eingegriffen, sondern vor allem dafür gesorgt, dass beide Seiten lange (aus)reden durften. Das Zuhören-Müssen der jeweils anderen Seite hatte dabei einen unglaublichen Effekt. Der einen Seite ist plötzlich klar geworden, dass die andere Seite heute noch wegen des Vorfalls im Jahr 2009 Angst hat. Die Beteiligten haben sich daraufhin in aller Form von sich aus noch einmal dafür entschuldigt. Zudem sind beiden Seiten zahlreiche Missver-ständnisse und Fehlinformationen, zum Teil durch andere Nachbarn, klar geworden. Bezeichnend war m.E. folgender Satz eines Beteiligten im Laufe der Sitzung: ‚Wenn ihr das so seht, dann verstehe ich euch.’

Wir haben folgende Themen erarbeitet:

– Betreten des Grundstücks

– Strafanzeigen

– Lärm

– Umgang miteinander

Im Rahmen der Interessenerforschung kam zunächst ans Licht, dass der nächtliche Lärm, eine Art lautes Klopfen, nicht von der Gegenseite verursacht wurde, sondern diese genauso darunter leidet bzw. gelitten hat. Seit aber eine weitere Nachbarin, eine sehr betagte Dame, die offensichtlich Tag und Nacht nicht mehr unterscheiden konnte, vor zwei Wochen ins Altersheim gezogen ist, hat das Klopfen aufgehört. Damit war das Thema Lärm bereits erledigt.

Im Übrigen konnten als Interessen auf beiden Seiten vor allem Frieden und Ruhe herausgearbeitet werden. Ein Strafver-folgungsinteresse bzgl. der Anzeigen hatte eigentlich keine Seite. Vielmehr wurden diese nur erstattet, weil der Andere ja ebenfalls Anzeige erstattet hatte.

Nachdem wir einige Lösungsoptionen aufgenommen hatten, verlief die Schlussphase sehr schnell und positiv. Das ursprüngliche wechselseitige Kontaktverbot wollten beide Seiten, obwohl sich das Verhältnis sichtlich entspannt hatte, auf jeden Fall aufrechterhalten (damit war ich selbst eigentlich nicht zufrieden, aber wenn die Beteiligten dies so wollen, muss dies m.E. akzeptiert werden). Außerdem haben die Beteiligten eine detaillierte Vereinbarung zum zukünftigen Schneiden der Hecke erarbeitet. Schließlich wurden noch verschiedene tatsächliche bzw. rechtliche Erklärungen zu den Strafanzeigen abgegeben, wodurch die Ermittlungsverfahren – soweit im Hinblick auf das Legalitätsprinzip möglich – einer Einstellung zugeführt werden sollen.

Nachdem die Eckpunkte der Vereinbarung feststanden, habe ich gefragt, was denn nun eigentlich mit der verfahrens-gegenständlichen Vertragsstrafe, über die wir die ganze Zeit gar nicht gesprochen hatten, geschehen soll. Daraufhin haben sofort beide Seiten erklärt, dass der Zivilprozess ohne Entscheidung über die Vertragsstrafe beendet werden und jeder seine Kosten selbst tragen soll.“